Grußwort des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier,
zum Festival „Around the World in 14 Films“ 2016

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen, Copyright photothek/Thomas Köhler

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen, Copyright photothek/Thomas Köhler

„Around the World in 14 Films“ ist nach inzwischen zehn erfolgreichen Jahren zu einem kleinen Juwel in der deutschen Filmlandschaft geworden. Alljährlich hat das Festivalpublikum in nur wenigen Tagen die einzigartige Gelegenheit, viele Regionen der Erde zu bereisen – und das bequem vom Kinosessel aus. Auch in diesem Jahr holt das Festivalteam wieder junges Weltkino nach Berlin, darunter Beiträge aus Israel, Kurdistan, der Türkei, aus Russland und dem Iran – Ländern und Regionen, die derzeit auch politisch im Fokus stehen.

Das Festival lädt uns ein, einmal hinter die Schlagzeilen zu blicken, die uns beinahe täglich aus vielen dieser Regionen erreichen. Es ermöglicht uns, die Menschen dort besser kennenzulernen ebenso wie das, was sie bewegt, was uns trennt, was uns verbindet. Selten gelingt eine so schöne Mischung von Filmkunst und Verständigung wie bei „Around the World in 14 Films“.

Zum zweiten Mal findet das Festival nun schon im Kino in der KulturBrauerei statt. Das zeigt, dass es mitten in der lebendigen Kulturszene Berlins angekommen ist. Auch die Zusammenarbeit mit ARTE hat sich als überaus erfolgreich erwiesen, so dass mittlerweile die Hälfte der Festivalbeiträge ARTE-Koproduktionen sind. Ich freue mich über diesen Erfolg und wünsche auch der diesjährigen Festivalausgabe, dass sie uns viele bereichernde Eindrücke und Erfahrungen schenkt.

Dr. Frank-Walter Steinmeier
Bundesministers des Auswärtigen


Das Programm 2016 – eine cineastische Weltreise in 14 + 9 Stationen

Eröffnungsfilm: The Death of Louis XIV, R. Albert Serra / 1 – Chile: Neruda, R. Pablo Larraín / 2 – Brasilien: Neon Bull, R. Gabriel Mascaro / 3 – USA: Certain Women, R. Kelly Reichardt / 4 – Großbritannien: Light Years, R. Esther May Campbell / 5 – Frankreich: Divines, R. Houda Benyamina / 6 – Österreich: Safari, R. Ulrich Seidl / 7 – Finnland: Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki, R. Juho Kuosmanen / 8 – Russland: The Student, R. Kirill Serebrennikov / 9 – Türkei: Frenzy, R. Emin Alper / 10 – Kurdistan: A Flag without a Country, R. Bahman Ghobadi / 11 – Iran: The Salesman, R. Asghar Farhadi / 12 – Israel: Rabin, the Last Day, R. Amos Gitai / 13 – Philippinen: The Woman Who Left, R. Lav Diaz / 14 – Australien, Vanuatu: Tanna, R. Martin Butler und Bentley Dean / French Preview: Personal Shopper, R. Olivier Assayas / French Preview: Einfach das Ende der Welt, R. Xavier Dolan / Romanian Preview: Sieranevada, R. Cristi Puiu / Romanian Preview: Scarred Hearts, R. Radu Jude / German Night: Der traumhafte Weg, R. Angela Schanelec / German Night: Anishoara, R. Ana-Felicia Scutelnicu / Hommage Otar Iosseliani: Winter Song, R. Otar Iosseliani / Closing Night: About Love, R. Anna Melikyan


Interview: “Around the World in 14 Films” 2016 – zehn Fragen an Festivalleiter Bernhard Karl

Bernhard Karl - (c) Bernhard Schmidt

Bernhard Karl – (c) Bernhard Schmidt

Welche Filmregion hat Dich 2016 besonders beschäftigt?
Das Kino aus dem Nahen und Mittleren Osten – aus der Türkei, Israel, Palästina, Libanon, Kurdistan und dem Iran. Wut und Ausweglosigkeit, aber auch die Sehnsucht nach einer Zukunft sind ein ganz starker Motor für ein, im Übrigen gerade auch künstlerisch starkes Kino. Wir können bei Around the World in 14 Films nur einen kleinen Bruchteil davon präsentieren – einen staatsfeindlichen Psychothriller aus der Türkei („Frenzy“), ein semidokumentarisches Requiem in Form einer Spurensuche auf Basis historischer Fakten aus Israel („Rabin, the last Day“), eine brandaktuelle kurdische Position aus dem Randgebiet des IS („A Flag without a Country“) und ein weiteres meisterliches psychologisches Kammerspiel von Asghar Farhadi aus dem aktuellen Iran („The Salesman“).

Dein Lieblingsfilm 2016?
The Death of Louis XIV“ von Albert Serra – unser Eröffnungsfilm. Eine weitere subjektive Neuerzählung von Geschichte des katalanischen Minimalisten, nach Don Quijote, den drei Königen und Casanova/Graf Dracula, nun der Sonnenkönig selbst in seinem Todeskampf, verkörpert von keinem geringeren als der Truffaut-Legende Jean-Pierre Léaud. Bizarr humorvoll und menschlich zerbrechlich, jenseits des Erhabenen – in einem ästhetisch faszinierenden Meisterstück über die Tragikomik von politischer Macht.

Die Überraschung des Jahres?
Nach einigen Jahren mit nur vereinzelt starken Werken, ist das aufregende junge rumänische Kino, geprägt u.a. durch Cristi Puius „Tod des Herrn Lazarescu“ (2005), in beeindruckender Art und Weise zurück. Wir widmen einer der kreativsten Cinematographien Europas einen eigenen Abend mit zwei der schönsten Filme des Jahres: „Sieranevada“ von Cristi Puiu, ein genial komponiertes Familientreffen in einer gewöhnlichen Bucarester Wohnung, und „Scarred Hearts“ von Radu Jude – einer Art „rumänischem Zauberberg“ – die letzten Lebensjahre des Schriftstellers Max Blecher in einem Sanatorium am Schwarzen Meer.

Welcher Schauspieler oder Schauspielerin hat Dich 2016 nachhaltig berührt?
Michelle Williams, Laura Dern und Kristen Stewart in „Certain Women“ der amerikanischen Indie-Ikone Kelly Reichardt. Ein hinreißend unspektakulär und präzise beobachtetes Alltagsporträt von drei Frauen in Colorado.

Dein Nachwuchstalent im Bereich Regie 2016?
Die junge marokkanisch-stämmige Französin Houda Benyamina mit ihrer feurigen Eloge auf eine rebellische Jugend aus den Pariser Banlieues, „Divines“. Der Caméra d’Or-Gewinnerin des diesjährigen Festivals von Cannes.

Welche Tendenzen erkennst Du im Weltkino des Jahres 2016?
Eindeutig die Tendenz zur Politisierung. Die atemberaubenden sozialen Umbrüche, die Rückkehr der politischen Rechten und des Totalitären und die existentielle Gefährdung der Errungenschaften der Demokratien weltweit, schlagen sich in zahllosen Geschichten nieder, die im aktuellen Kino erzählt werden. Bei uns zu sehen in Pablo Larraíns „Neruda“, Kirill Serebrennikovs russischer Marius von Mayenburg-Übertragung „The Student“, in Otar Iosselianis Satire „Winter Song“ und natürlich in den oben erwähnten Werken aus dem Nahen und Mittleren Osten.

Wer ist eigentlich Eure Zielgruppe? Oder anders gefragt, an wen wendet sich das Festival explizit – wenn überhaupt!
An alle, die englische Untertitel lesen können (with a smile) …

Wer sitzt dieses Jahr in der IFA-Jury?
Die Leiterin des Kulturressorts des Berliner Tagesspiegels, Christiane Peitz, die Schauspielerin und Regisseurin Ina Weisse und unser Langzeit-Juror, der iranisch-stämmige Berliner Film- und Theaterregisseur Ayat Najafi.

Wie schwer ist es für „Eure“ Filme, einen Verleih zu bekommen – und warum?
Es ist wird wirklich besser geworden. Als wir 2006 angefangen haben, hatte wirklich nur ein Bruchteil der Filme aus unserem Line-Up einen deutschen Verleih. In diesen zehn Jahren hat sich einiges getan, durch die Digitalisierung und den Idealismus vieler kleinerer Verleiher finden viele der Filme zumindest die Chance, einmal eine Leinwand zu sehen. Dass sie dann aber nur für kurze Zeit und in sehr kleinen Kinos zu sehen sind, ist ein weiteres Problem. Die komplexe Dramaturgie, die oft eigenwillige Erzählform, die ungewöhnliche Ästhetik, die oft nicht kompatible Länge der Filme, die Charaktere, die Geschichten, die jenseits von Stereotypen von Sex und Gewalt funktionieren, all das schreibt keine großen Zahlen in einem Land das eine ganze starke Theaterlandschaft, aber keine künstlerische Kinolandschaft, beziehungsweise kein Bewusstsein in der Breite der Bevölkerung dafür entwickelt hat.

Werden die Filme wieder von „Paten“ präsentiert?
Das Prinzip, dass jeder der 14 Filme und die „Specials“ von deutschen Regisseuren/-innen, Schauspielern/-innen und weiteren Kulturpersönlichkeiten als „Film-Paten“ begleitet und mit dem jeweiligen internationalen Gast und dem Publikum diskutiert werden, gehört zu den wesentlichen Ideen, die die Präsentationsform unseres Festivals prägen – und vor allem auch unsere Leidenschaft für einen künstlerischen und interkulturellen Dialog zeigt. Meret Becker und Albert Serra, Max Moor und Ulrich Seidl, Ulrich Matthes und Kirill Serebrennikov, Knut Elstermann und Amos Gitai, Sven Taddicken und Otar Iosseliani, fünf Beispiele für die Konstellation Pate-internationaler Gast, die wir in diesem Jahr für die Zuschauer eingeladen haben.

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Mit freundlicher Genehmigung von Casting Network und out takes