Synopsis

Tief im bergigen rumänischen Hinterland liegt still und ruhig eine siebenbürgische Stadt, umgeben von dunklen, schweren Wäldern. Seit Langem schwelen unter den Bewohnern der Stadt stillschweigende Vorurteile und Ressentiments gegenüber Fremden, die plötzlich explodieren, als neue Arbeitskräfte in der örtlichen Groß-Bäckerei ankommen: Es sind Einwanderer aus Sri Lanka, denen sehr deutlich gemacht wird, dass sie nicht willkommen sind. Aber die Bäckerei benötigt die Arbeitskräfte, weil sonst keiner den harten Job machen möchte. Die beiden Besitzerinnen probieren händeringend, die Männer in der Gemeinschaft zu etablieren, verweisen auf den Umsatz und die damit einhergehende Förderung aus der Europäischen Union. Doch die Fremdenfeindlichkeit ist das eigentlich täglich Brot in dieser Region, die absurderweise seit Jahrhunderten von mehreren Nationalitäten bewohnt wird. Doch ein gemeinsamer Feind in Form dieser Arbeiter erweist sich nützlich, um andere Konflikte zu ignorieren. Dieses politisch brisante wie aktuelle Motiv ist übrigens nur einer von vielen Fäden (denn es gibt hier auch eine Liebesgeschichte, ein Kindheitstrauma, eine absurd-komische französische Aktivistenfigur und viel gekränkten männlichen Stolz), die sich schließlich zu einem (ost)europäischen gordischen Knoten verweben. „R.M.N.“ ist die rumänische Abkürzung für eine Magnetresonanztomografie, also einem Verfahren, das nahezu unsichtbare Muster sichtbar macht. Genau das ist das gestalterische Prinzip von Regisseur Cristian Mungiu, der versucht, den grassierenden Fremdenhass in mittel- und osteuropäischen Gesellschaften herauszuarbeiten. Die Frage, die sich über seine zunehmend beklemmenden Bilder erhebt, ist: Sind wir heute wirklich alle unfähig geworden, die uns umgebenden Konflikte zu lösen? Visuell bleibt Mungiu, der die Goldene Palme in Cannes für sein Abtreibungs-Drama „4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“ gewann, seinem trockenen Stil treu. Klare, röntgenhafte Bilder rücken der Stadtgemeinschaft erstaunlich nahe und kulminieren in einer 17-minütigen Szene, die in einer einzigen Einstellung gedreht wurde und in der 26 Personen sprechen. Ein Moment, der dieses Jahr bei den Filmfestspielen von Cannes einen schon legendären Charakter erreicht hat. Dieser schaurig-herbe, schmerzhaft realistische und zugleich metaphysischen Film über Globalisierung, die Krise der Männlichkeit, Komplexe und Nationalismus will nichts weiter als ein Porträt unserer Gegenwart sein. Ein gewaltiges Unterfangen, das absolut überzeugt.

Around the World in 14 Films 2022, in Anwesenheit von Schauspielerin Maria Dragus

Credits

+++ Berlin-Premiere +++

OT: R.M.N.
Regie: Cristian Mungiu
Drehbuch: Cristian Mungiu
Produktionsland: Rumänien, Frankreich, Belgien, Schweden 2022
Produktion: Mobra Film, Why Not Productions, Filmgate Films, Les Films du Fleuve, Wild Bunch
Cast: Marin Grigore, Judith State, Macrina Bârlădeanu, Orsolya Moldován, Andrei Finți
Länge: 125 min.
Sprache: rumänische OF / englische UT
Deutscher Verleih: /
Festivals: Cannes, New Horizons, Toronto, Zürich, Busan, New York, Viennale, Tokyo, Taipeh u.v.a.
Preise: Crested Butte Film Festival, Palic